Mit Sprechen durchstarten
Kompetenzförderung mittels Hörfunkproduktion

Kompetenz im Hören und Zuhören

Der Stellenwert des Zuhörens wird häufig unterschätzt, da es auf den ersten Blick ein unsichtbarer mentaler Prozess ist. Während die Förderung der Sprachkompetenz als unbestrittenes Bildungsziel der Schule gilt, findet sich ein Lernbereich Zuhören nur in sehr wenigen Lehrplänen. Die Fähigkeit, zuhören zu können wird als gegeben vorausgesetzt und demnach nicht als pädagogische Aufgabe verstanden. Dass diese Annahme nicht zutrifft, beweisen zahlreiche empirische Untersuchungen zu dieser Thematik. Wie wichtig gezieltes Zuhören und eine Förderung der Zuhörfähigkeit ist, soll im Folgenden näher erläutert werden.

 

Die Kunst des Zuhörens

•  Das Zuhören ist die erste kommunikative Fähigkeit, die wir im Laufe unserer Entwicklung erwerben und gleichzeitig die Voraussetzung für das Erlernen von Sprechen, Lesen und Schreiben.

•  Das Sprechen hat im Vergleich zum Zuhören einen geringen Anteil an der gesamten Kommunikation, das Zuhören 40-70% (vgl. Hartung, S. 6).

•  Zuhören ist ein grundlegender Teil der Gesprächskompetenz.

Schlechte Zuhörer fallen zunächst weniger auf als schlechte Redner. Aber nur wer gut zuhört, kann auch einen interessanten Beitrag zu einem Gespräch beisteuern.

•  Zuhören ist eine komplexe Fähigkeit, die sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt (Unterscheidung Hören – Zuhören).

•  Zuhören als mentaler Prozess. Auf Informationen, die nicht verstanden wurden, kann nicht angemessen reagiert werden.

•  Zuhören als soziales Verhalten: Das Rückmeldeverhalten des Zuhörers signalisiert dem Sprecher, dass das Erzählte verstanden wurde (Mimik: Nicken, Lächeln; verbal: „aha“, „mh“, „stimmt“).

Der mentale Prozess und das Rückmeldeverhalten müssen nicht immer übereinstimmen (nicht jeder lächelnde und nickende Schüler hört wirklich aufmerksam zu). (vgl, Hartung, S. 6ff)

 

Beeinträchtigung des Hörens und Zuhörens durch Lärm

Das Hören bzw. Zuhören wird in der Schule häufig durch Lärm beeinträchtigt.

Lärm

•  liegt in Schulen oft über der zumutbaren Grenze für überwiegend geistige Arbeit (55 dB)

•  wird von Lehrern/innen als starke Belastung erlebt

•  stört Konzentration und Leistungsmotivation

•  beeinträchtigt das soziale Klima

(Schönwälder u.a. 2004)

 

Quellen von Unruhe und Lärm können sein

•  individuelle Bedingungen (fehlende Motivation, Überforderung, Konzentrationsstörungen)

•  soziale Bedingungen (ermüdende Unterrichtsgestaltung, undeutliche Sprechweise, zu hohe Erwartungen)

•  raumakustische Bedingungen (Stifte klappern, Stühle rücken etc.)

(vgl. Kahlert 2008)

 

Im Folgenden wird aufgezeigt, was Schülerinnen und Schüler als Störfaktoren beim Zuhören im Unterricht bezeichnen.

 

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So vielfältig die verschiedenen Lärmquellen sind, so unterschiedlich erfolgt die individuelle Reaktion auf potentiell störende Geräusche. Was den einen Schüler bzw. Lehrer stört, macht dem anderen noch gar nichts aus. Fest steht jedoch, dass Schülerinnen und Schüler, die sprachlich besonders gefördert werden müssten, deutlich mehr als andere an der unzureichenden Hörqualität in der Klasse leiden.

Aufgabe aller an Schule und Unterricht Beteiligten sollte sein, an einer guten Höratmosphäre mitzuwirken (vgl. Kahlert et al, S. 334ff)

 

Ergebnisse einer Studie mit Klassen, die Zuhörförderung erfahren haben

Schüleraussagen

•  Andere Kinder stören seltener.

•  Man lässt sich gegenseitig mehr ausreden.

•  Man hört besser zu, weil man mehr über das Zuhören weiß.

•  Lehrerin muss weniger schreien und hört besser zu.

•  Lehrerinnenstimme ist besser verständlich.

 

Am Projekt beteiligte Lehrer…

•  arrangieren Hörerfahrungen

•  gehen bewusster mit der eigenen Stimme um

•  sind gelassener gegenüber Störungen

•  erklären Kindern Zuhörsituationen

•  übergeben den Schülern verstärkt Verantwortung für das Zuhörklima

•  stoßen Reflexionen über Zuhörbedingungen an

 

Konsequenzen für den Unterricht

Nachdem die Hör- und Zuhörqualität situativ beeinflusst wird, sollte das Hören und Zuhören aus der beiläufigen Selbstverständlichkeit gelöst und zu einem Thema der Kommunikation und Reflexion über Unterricht gemacht werden. Dabei geht es nicht nur darum, dass Lehrer Störquellen erkennen und zuhörförderliche Bedingungen schaffen, sondern auch die Schüler sollten in die Gestaltung der Hörsituationen im Unterricht mit einbezogen werden (vgl. Kahlert et al, S. 341ff)

Eine angemessene Höratmosphäre kann geschaffen werden durch:

•  Sozialen Umgang

•  Bereitschaft zuzuhören

•  Regeln einhalten

•  aufmerksam sein

•  Unruhe vermeiden

•  …

•  Unterricht

•  Situationen einplanen, in denen die Schüler ihr erworbenes Wissen für Zuhörende darlegen.

•  Im Unterricht zuhörerleichternde und -strukturierende Lernhilfen einsetzen.

•  Klare Unterrichtsorganisation, in der unnötiger Lärm kontinuierlich reduziert wird (z.B. Stühle leise hochstellen, Gruppentische zusammen stellen).

•  Hör-und Stilleübungen einbauen.

•  …

•  Lehrerpersönlichkeit

•  Deutliche Aussprache des Lehrers, der dies auch von seinen Schülern fordert.

•  Regelmäßiges Nachfragen, ob an allen Plätzen im Klassenzimmer die gesprochene Sprache verständlich ist.

•  Mimik, Gestik, Intonation und Bewegung nutzen, um das Hören zu erleichtern.

•  Physikalische Umweltbedingungen

•  Raumakustisch bedingte Störungen – soweit möglich - verringern (z.B. Halligkeit, Dämmung, Außenlärm)

•  Diverse Projekte zur Zuhörförderung

•  „Hörclubs“, „Mit Sprechen durchstarten“, „Ganz Ohr sein“

•  Die „leise Schule“ oder „akustisch gestaltete Schule“ als Leitbilder für Schulentwicklung

 

Diese Projekte haben Erfolge in der Hinsicht gebracht, Schüler für ihre Umwelt zu sensibilisieren und die Bedeutung der Kommunikation nahe zu bringen. Darüber hinaus sollen dadurch Zuhörtechniken und das Zuhören als positives, vergnügliches Erlebnis in allen Bevölkerungsschichten vermittelt werden (vgl. Ehlers S. 13).

„Zuhörenkönnen muss als erlernbare und verlernbare Fähigkeit betrachtet werden, deren Förderung sich lohnt. Sie hat aber nur dann eine Chance, wenn die Zuhörenden ein intellektuelles oder sinnlich-emotionales Vergnügen dabei erleben.“ (Ehlers, S. 13) In diesem Sinne kann man nur hoffen, dass die oben genannten Projekte und Initiativen mit ihrer Vielfalt der Zuhörförderung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen weiter verbreitet werden.

 

Literatur:

Ehlers, R.: Einleitung. In: Zuhören e. V.: Ganz Ohr. Interdisziplinäre Aspekte des Zuhörens. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002

Kahlert, J., Hagen, M., Hemmer-Schanze C., Huber, L.: Hören fördern. Orientierungen auf dem Weg zur leiseren Schule. In: Die Deutsche Schule, 96. JG. 2004, H. 3, S. 333-344

Kahlert, J.: Vortrag bei der Auftaktveranstaltung des Projekts „Mit Sprechen durchstarten“ beim Bayerischen Rundfunk in München, Januar 2008

Ulrich, S., Hartung, M.: Besser zuhören. Übungen und Hintergrundwissen zur Förderung der Zuhörfähigkeit, München, Eigenverlag 2006

 

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Projektkoordination

Daniela Arnu und Thomas Eberle
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